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Hamburger Klangwerktage: Symposium «Zeitgenössisches Lied»

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Mittwoch

21.11.07

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Symposium «Zeitgenössisches Lied»14.00 – 15.00 UhrKMH | Eintritt frei! David MossVortrag in englischer Sprache.Der Kognitionspsychologe Steven Pinker schrieb über die Bedeutung der Musik: »Im Gegensatz zu Sprache, Sehkraft, sozialem Denken und technischem Wissen könnte die Musik aus unserer Welt verschwinden und unsere Lebensweise würde nahezu unverändert bleiben. Musik scheint eine reine Vergnügungsmaschinerie zu sein, ein Cocktail aus Stimmungsaufhellern, die wir über das Ohr einnehmen, um eine Vielzahl von Nervenbahnen auf einmal zu stimulieren.« Wenn Steven Pinker recht hat – SEHR SCHÖN! Das würde bedeuten, dass Gesang keine Verantwortung für unsere mörderische Natur trägt; dass der Gesang der kollektive Seufzer der Kultur wäre – dass Singen ein Vergnügen ist, das gesucht und ein Schatz, der geteilt werden muss. Wenn Pinker unrecht hat – AUCH SCHÖN! Das wiederum würde bedeuten, dass Singen eine rätselhafte Notwendigkeit für alle Menschen darstellt; dass es die menschlichen Erfahrungen miteinander verknüpft; dass es Menschen verbindet und sie für die Welten des Gesangs, der Lieder und Geschichten, der Sagen und Verzauberungen öffnet. Aber verzaubert das Kunstlied heute noch? Wird es noch Bestand haben im 22. Jahrhundert? Das ist abhängig von der Wahrnehmung, dass jede Art des Gesangs gleich und wichtig ist und darüber hinaus kraftvolle Aussagen beinhaltet. Aber bedauerlicherweise neigen Menschen dazu, Dinge falsch und verständnislos zu kategorisieren, zu analysieren und zu unterteilen. Dies, basierend auf begrenzter Erfahrung, wirtschaftlichen Gesichtspunkten, der Sehnsucht nach Vergangenem und historischer Voreingenommenheit, prägt die Entwicklung des geschulten Gesangs. Einige grundlegende – aber vielleicht auch gefährliche – Fragestellungen sollen klar werden: Wer ist ein Komponist? Wer ist ein Sänger? Was ist ein Lied? Wozu brauchen wir es? Wie nimmt man heute die Stimme wahr? Und werden Menschen in einer entkörperten Welt noch singen?«Songs for Singing: a 21st century perspective»15.00 – 16.00 UhrKMH | Eintritt frei! Prof. Dr. Helga de la MotteDas Lied fand in den theoretischen Schriften erst seit dem 18. Jahrhundert stärkere Beachtung. Es erlebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Schaffen von Schubert und Schumann seinen musikgeschichtlichen Höhepunkt. Merkmale des Belcanto (schönen Gesangs) sind nur insoweit typisch für das Lied, als sie die Beweglichkeit der Stimme betreffen. Jedoch trat an die Stelle von Virtuosität Ausdrucksintensität. Das enge Wort-Ton –Verhältnis trug dem Umstand Rechnung, dass Lied eine musikalische wie dichterische Gattung ist. Ausdrucksintensität machte das Lied zum Experimentierfeld atonalen Komponierens. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich der Sprechgesang, dessen Idee die Expression tiefstinnerlicher Schichten war. Seit dem 20. Jahrhundert ist Gesang mit einem weit gefächerten Spektrum an Darstellungsformen verbunden. Der Belcanto wurde weitergepflegt, Lied konnte zu einer instrumentalen Gattung werden, als Weiterentwicklung des Sprechgesangs hat sich die Stimmperformance entwickelt. Der Vortrag will einen Überblick vermitteln und auch Veränderungen bei medienbasiertem Singen ansprechen.«Belcanto – Sprechgesang – Stimmperformance. Das Lied im Spannungsfeld neuer Musik»17.00 – 18.00 UhrDie Gattung »Lied« wird seit einiger Zeit immer wieder und mehr oder minder polemisch angegriffen, etwa als heute überflüssige Erscheinung des 19. Jahrhunderts abgetan oder unter kultursoziologischen Aspekten für »überholt« erklärt. Dabei wird Aufführungspraxis, bürgerliche »Betroffenheitskultur«, Interpreteneitelkeit oder eine gewisse biedermeierliche Exklusivität von Festspiel-Ambiente fälschlicherweise in Eins gesetzt mit spezifisch-musikalischen Inhalten, die hier – ebenso wie etwa bei elaborierter Kammermusik – nach wie vor eine große und lohnende Herausforderung für einen Komponisten darstellen können. Ironie des Schicksals: gerade die heutigen, oftmals eher theorielastigen und politisch korrekten Kritiker des Liedes kommen – was ihre Argumentationslinie betrifft – direkt aus einer Haltung, die in ihrer Fragwürdigkeit bis heute eine der traurigsten und schwierigsten Belastungen, letztlich resultierend aus dem Denken des 19. Jahrhunderts, darstellt – nämlich eine Art Absolutsetzung individueller Meinung, individuellen Geschmacks und individueller Ästhetik. Persönliche Meinungen wie »Ich liebe Gesang nicht« oder »Man kann Texte nicht vertonen« werden ex cathetra verkündet und dann – je nach Einfluss eines »Machers« – auch im praktischen Musikleben entsprechend ein- und umgesetzt. Der Vortrag soll ein, wenn auch gar nicht notwendiges Plädoyer für den komponierten Gesang sein.KMH | Eintritt frei! Prof. Hans-Jürgen von Bose«Lied – Gesang – Komponist: eine heute unvereinbare Trias?»

Künstler/ in: Hamburger Klangwerktage