Programmheft November / Dezember

Der November auf Kampnagel

Liebes Publikum, wir passieren ein Nadelöhr der Ereignisse und Katastrophen, die sich auf- und anstauen. Die Lage ist anstrengend und unübersichtlich, aber Vereinfachungen helfen nicht weiter. Wir müssen über einzelne Ereignisse genauso wie die politische Gesamtdynamik reden und brauchen dafür unterschiedliche Perspektiven – und dabei kann die Kunst helfen. Yousef Iskandar etwa arbeitet gerade an einer Multimedia-Performance, die die emotionale Reise von Menschen dokumentiert, die wie er selbst wegen ihrer Queerness ins Exil gehen mussten. Den Prozess des Verlassens und Wiederankommens durchlaufen derzeit viele Künstler*innen aus der Ukraine. Eine Gruppe russischsprachiger Autor*innen aus Hamburg trägt ihre Texte als Protest gegen den Krieg vor, um ihre Muttersprache zu befreien, die von Kriegstreiber*innen vereinnahmt wird. Welches Potenzial Kunst und Technologie in Bezug auf ökonomische, klimatische und politische Krisen bieten, wird auf der Nordwind Digital-Konferenz CYBER ATTACK: DIGITAL ART & ACTIVISM besprochen. Kurdischen feministischen Widerstand bearbeitet Leyla Yenirce künstlerisch in ihrer Oper DIKKE BLEEK. Kraft lässt sich auch aus vergangenem Widerstand schöpfen: Das Projekt STATUES OF RESISTANCE haucht den Geistern der Vergangenheit neues Leben ein, indem sie Orte und Objekte des öffentlichen Raums digital mit vergangenem Widerstand gegen koloniale Gewalt überschreiben. Der international gefeierte Serge Aimé Coulibaly zeigt im intimen Setting ein Solo, das er für seinen Tänzer Jean Robert Koudogbo-Kiki inszeniert hat. Die Hamburger Choreografin Ursina Tossi hat den Ballettklassiker Schwanensee queerfeministisch reinterpretiert, wofür die Band CocoRosie die Musik geschrieben hat. Der Umcodierung von Weiblichkeit als Technologie widmet sich das Performance Kollektiv Swoosh Lieu. Wer weiteren Seelenbalsam braucht, möge sich von unserer großformatigen Bühnenkunst verzaubern lassen: zum Beispiel von Thorsten Lensings neues Stück VERRÜCKT NACH TROST, das seit der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen überall begeistert gefeiert wird. Und das Tanzspektakel LEMNISKATA des mexikanischen Choreografen Lukas Avendaño fordert garantiert alle positiven Sinne heraus. Immer wenn Ihnen das aktuelle Nadelöhr als Tunnel erscheint: Kampnagel ist ein Ort, an dem Sie Energie tanken, sich ausruhen, gemeinsam lachen können. Hier ist Platz für Begehren jeglicher Art und schöne Momente. Zum Beispiel, wenn das Erobique Ensemble zum Tanz bittet. Also, kommen Sie vorbei!

Ihre
Amelie Deuflhard