Ansicht 8278
© Matthias Oertel
Ansicht 8278
© Matthias Oertel
Theater

Studienprojekt III - Die Kinder der Toten. Elfriede Jelinek

Theaterakademie Hamburg: Rechnitz (Der Würgeengel) Regie: Woody Mues

Tickets:

10 Euro (erm. 7 Euro), für zwei Vorstellungen 15 Euro (erm. 11 Euro), für drei Vorstellungen 22,50 (erm. 16,50 Euro). Early Boarding für Menschen mit sensorischen oder physischen Beeinträchtigungen.

Vergangene Termine

Freitag

28.06.19

19:00

Montag

01.07.19

19:00

Fünf Regie-Studierende erforschen szenisch den »Kontinent« Jelinek. Eine widerständige, stets gesellschaftlich engagierte, zurückgezogen lebende, sich dem mainstream verweigernde Dichterin, Sprachkünstlerin und ihre Texte bilden Gerüst und Spielfläche für die Studierenden der Hamburger Theaterakademie, für Bühnenbildner*innen der HfBK und Kostümbildner*innen der HAW. Vor allem natürlich für die Schauspieler*innen, die Texten und Gedanken Gestalt und Stimme geben. Jelinek, seit Jahrzehnten sprachmächtigste Zeit- Genossin, Mahnerin und Spielerin im Grand Guignol der an Vergangenem leidenden Gegenwart wird Impulsgeberin einer Recherche zu den Toten der Gesellschaft und ihren Zombiekindern.

Rechnitz (der WÜrgeengel)

Die Sonne scheint, Capri-Eis tropft von den Handrücken, die Unschuldslämmer kauen auf ein paar Tulpen herum. Ein Stückchen idyllische Provinz. Sie könnte überall sein. Zum Beispiel in Rechnitz. Aber auch überall sonst. Unter der Blumenwiese liegen ein paar Gräber, über die alle geschwätzig schweigen. Ein unaufgeklärtes Verbrechen.

In Rechnitz gab es ein Fest. Ein Gefolgschaftsfest. Es ist Ende März 1945, die Rote Armee rückt näher und ein paar SS-Offiziere, Gestapo-Führer und einheimische Nazi-Getreue wollen es nochmal so richtig krachen lassen. Gräfin Margit von Batthyány hat auf ihr Schloss geladen. Irgendwann sind alle im Rausch. Nebenan warten etwa 200 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter*innen auf ihre Hinrichtung. Ausgewählte Teile der Festgesellschaft werden später ein Blutbad anrichten, um anschließend bis in die Morgenstunden weiterzufeiern. Tags darauf brennt das Schloss und die Gräfin ist auf der Flucht in die Schweiz, wo sie fortan als angesehenes Mitglied der adligen Gesellschaft eine Pferdezucht betreibt.

Die Massengräber dieser Nacht werden nie gefunden, die Hauptverdächtigen haben sich abgesetzt, zwei Zeug*innen werden vor der Aussage ermordet, die Dorfgemeinschaft erstarrt. Niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Es ist ein Verbrechen, über das noch immer geschwiegen wird. Es erzählt uns viel darüber, wie wir Erinnern – und vielleicht noch mehr darüber, wie wir Vergessen.

Und so kann Jelineks Theatertext nur ein weiteres »geschwätziges Schweigen« sein. Eine Sprachfläche, die mit vielen Schleifen, Assoziationen und Leerlauf das historische Ereignis umkreist. Die Bot*innen erzählen uns davon in ihren Berichten. Sie sind Täter*innen, Opfer, Nachgeborene, Zeug*innen, sind Verdrängende und Erinnernde. Es sind Stimmen von damals und heute, verschiedene Positionen und Perspektiven zu verschiedenen Zeiten.

Die Vermischung der Zeitebenen, die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart nimmt die Inszenierung auf, indem sie den Abend an vier verschiedenen Orten spielen lässt. Alle erinnern sich anders. Alle vergessen anders. Und die Lämmer grasen.

»Aber Menschen an sich sind schon was Schönes, finden Sie nicht?« (Rechnitz, Jelinek)

Alle Studienprojekte

28.06. + 01.07. / 19:00: Rechnitz (Der Würgeengel) 28.06. / 20:30 + 01.07. / 22:00: Winterreise 28.06. / 22:00 + 01.07. / 20:30: Schatten (Eurydike sagt) 29.06. + 30.06. / 19:00: Schatten (Eurydike sagt) 29.06. +.30.06. / 20:30: Begierde und Fahrerlaubnis (Eine Pornographie)


Aufführungsrechte: Rowohlt Theaterverlag Regie: Woody Mues Bühne: Anton von Bredow Kostüme: Anna Weitzel, Anna Zirwes, Videoregie: Laura Gericke Dramaturgie: Flavia Wolfgramm Regieassistenz: Iñaki Ferrer Agell Bühnenassistenz: Özge Akköse Schauspieler/ -in: Robin Bongarts, Clara Braun, Hannah Ehlers, Ute Hannig, Josefine Israel, Miguel Jachmann, Christoph Jöde, Max Kurth, Rosa Lembeck, Josef Ostendorf, Meryem Öz, Sasha Rau, Viktoria Steiber, Catalina Suchomel, ein paar Unschuldslämmer Choreografische Mitarbeit: Valenti Rocamora i Tora Musik: Chris Lüers, Christophe Schweizer Bildgestaltung: Leon Daniel Tonmeister: Ivo Sloman Videotechnik: Malwine Mangold-Volk, Marek Luckow

Dank den betreuenden Dozierenden Alia Luque, Dorothea Ratzel, Sybille Meier & Eva-Maria Voigtländer.

Studienprojekt III Regie Schauspiel und Dramaturgie der Theaterakademie Hamburg, Hochschule für Musik und Theater, in Kooperation mit der Bühnenraumklasse der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg (HfBK), den Fachbereichen Gestaltung/ Kostümdesign der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und Kampnagel.